Der Brennmeister und sein Traumjob

Auf und hinter der Bühne – das sind zwei Paar Schuhe. Was vorne mit Lust und Herrlichkeit präsentiert wird, setzt harte Arbeit hinter den Kulissen voraus. Weil ich wissen wollte, was das für einen Schnapsbrenner bedeutet, traf ich Reto Meier, den Brennmeister der Distillerie Studer, zum Gespräch.

Soviel vorab: Traumjobs können anstrengend sein. Gerade in der Welt der kulinarischen Genüsse funktionieren die Klischees von Romantik und Glamour nach wie vor und produzieren ein, sagen wir mal, idyllisches Bild einer Branche. In Tat und Wahrheit beginnt das Tagwerk eines Brenners in aller Herrgottsfrühe, dauert oft bis spät in die Nacht und die Arbeit kann sich, bis ein anständiges Resultat vorliegt, jahrelang hinziehen. Nichts also für Hektiker und Ruhelose. Für Reto Meier hingegen schon. Er ist Brennmeister mit Leib und Seele. Im Gespräch erzählt er, wie es dazu kam, warum er gerne tut, was er tut, und wie er seine Zukunft sieht.

Reto, wie kamst du zur Distillerie Studer?
Damals arbeitete ich als Betriebsleiter bei der Landtwing Rütter AG im luzernischen St. Erhard; nach deren Schliessung lag es mir am Herzen in der Branche bleiben zu können. Da unser Gewerbe aber vergleichsweise klein ist, kann ich von Glück reden, bei der Distillerie Studer eine Stelle gefunden zu haben. Notabene eine, die passt und wie auf mich zugeschnitten ist.

Siehst du dich als Quereinsteiger?
Das darf man sehr wohl so schreiben. Gelernt habe ich ursprünglich Käser oder besser gesagt Milchtechnologe. Nach der Lehre hatte ich die Wahl, Käser zu bleiben und in die Industrie zu wechseln oder mich komplett neu zu orientieren. Nach zwei Jahren als Schichtarbeiter bei der Emmi AG war mir klar, dass Arbeit in der Industrie für mich keine Option war. Und in Kleinbetrieben waren durch das Käsereisterben offene Stellen knapp. Durch ein Inserat kam ich auf die besagte Firma Rütter. Dort war ich zu Anfang Allrounder, dann Abteilungsleiter und später Betriebsleiter. Auch habe ich dort das Brennen und Mosten gelernt. Gut zehn Jahre später wurde die Firma geschlossen, da es keine Nachfolge gab.

Wie lange dauerte die Ausbildung zum Brennmeister?
Eine Ausbildung im eigentlichen Sinne gibt es für den Beruf nicht. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber war ich zuerst für den Betriebszweig Wasserabfüllung zuständig und als man mir die Frage stellte, ob ich die Kunst des Brennens erlernen möchte, war die Antwort klar wie Quellwasser. An einem Montagmorgen um vier Uhr durfte ich mit dem dortigen Brennmeister anfangen. Den zweiten Brand habe ich dann, unter dem wachsamen Auge meines Vorgesetzten, bereits selber gemacht. Durch diese Learning-by-Doing-Methode konnte ich enorm rasch dazulernen, mein Vorgehen kontinuierlich verbessern und das Handwerk verfeinern.

Was zählt für dich zu den schönsten Aufgaben? Und auf was würdest du gerne verzichten?
Wo soll ich anfangen? Das Probieren und Verkosten natürlich! Spass beiseite – das ist es wohl, was viele denken. Oder zu wissen meinen. Im Grundsatz ist es aber das Bedächtige. Sprich das Unaufgeregte und Rituelle unserer Tätigkeit. Schon damals als Käser hatte das Credo «Gutes braucht Zeit» Priorität. Genauso ist es beim Brennen. Und nach einem anstrengenden Herbst, wenn die Früchte angenommen werden, das Obst eingemaischt und dann Schritt für Schritt zu einem Destillat gebrannt wird, dann weiss man, dass man am richtigen Ort arbeitet. Es ist dieser geruhsame Prozess, der nötig ist, um aus Gutem Bestes zu machen und der dich total zurück auf den Boden bringt. Das ist in der heutigen Hektik etwas ungemein Schönes. Und unbezahlbar. Auf den Papierkram hingegen würde ich gerne verzichten. Notwendig ist er trotzdem.

Was sind deine Favoriten?
Das ist ziemlich einfach. Der Vieil Abricot und der Rum 1653. Beide, so wage ich zu behaupten, sind nach einem feinen Essen perfekte Begleiter. Zum Kaffee, zur Zigarre oder einfach als Absackerli. Das Aroma des Abricot ist himmlisch. Mehr Aprikose geht schlichtweg nicht. Beim Rum überzeugen die subtile Note von Holz und die sanfte Süsse. Kommt hinzu, dass es das erste Produkt ist, das ich von Anfang an begleiten durfte. Vom Ausbau bis in die Flasche. Dass ich meine Unterschrift auf die Etikette geben darf, macht mich stolz.

Wie reagieren die Leute auf deine Arbeit?
Ohne Scherz, es ist ein durchschlagender Gesprächsöffner! Die Leute sind sehr interessiert an meinem Beruf und stellen mir massenhaft Fragen. Wie destilliert man? Wie bist du zum Beruf gekommen? Darfst du nach der Arbeit noch Auto fahren? Was empfiehlst du zu diesem und zu jenem? Was liegt derzeit im Trend und wie stehst du dazu? Kommt hinzu, so rede ich mir zumindest ein, dass mein Enthusiasmus ansteckend ist. Wenn’s ums Brennen geht, werde ich zum Schnorri. Doch diese Gespräche und das Spintisieren gehören quasi zu den Ingredienzen meines Wirkens als Brennmeister.

Was sind Deine Ziele und Projekte?
Gesund bleiben. Das wünsche ich grundsätzlich allen Menschen. Alles Weitere wird sich ergeben. Beruflich gesehen habe ich meinen Traumjob gefunden. Mehr brauche ich eigentlich nicht. Und da ich noch nicht so lange bei Studer arbeite, habe ich mir um fernere Ziele noch keine Gedanken gemacht. Mir ist das, was ist, für den Moment genug. Noch immer ist einiges neu, vieles spannend und jeder Tag bringt Überraschungen. Für den Moment geniesse ich es einfach, hier zu arbeiten. An alte Werte anzuknüpfen, Neues auszuprobieren und Teil eines etablierten Familienbetriebes zu sein.

Über die Autorin
Weinexpertin Shirley Amberg ist dem Genuss auf der Spur. Hierfür erkundet sie Küchen und Keller, besucht Land und Leute. Recherchiert, spürt auf und enträtselt. «Weil die Welt der kulinarischen Freuden ein Irrgarten von Wahrheiten, Klischees und Erfindungen ist», wie sie sagt.

  • Karine & Oliver
  • Shirley Amberg